Lebzelten, Blatt 128/129

Vie man Lezelten bacht

Food Magazin

Der Jahreszeit entsprechend widmen wir uns diesmal dem Lebkuchenrezept der Philippine Welser. Auch wenn die Christkindlmärkte heuer dem Lockdown zum Opfer fallen, allein die Erinnerung an den würzigen Geruch der Lebkuchenherzen reicht aus, um weihnachtliche Vorfreude in uns zu wecken.

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aus dem Kochbuch der Philippine Welser

»Vie man Lezelten bacht – Item nim Waitzen Mehl vnnd Hönig, das wol haiß ist, vnnd mach ain Taig, vnnd laß den taig wol khneten, das man den finger kaimb darein steckhe, vnnd mmach fladen die aines halben finger dickh werden, vnnd thue die in ain haffen, Nachdem Prats, vnd wan die Fladen schön praun werden, so nimb die wider aus dem Ofen, vnnd laß Sy erkhulen, so werden sy hort, Darnach laß die fladen stossen mit aim Stössl, auf aim schönen sauberen Tischthuch, zu klainen Stuckhlen, Darnach thus in die Stampff, das mans schön sauber pfeit. dor-nach nim wider honig, vnnd laß das wol wermen, das wol haiß ist, und geuß das ain, vnnd nim Aniß, vnnd Pfeffer ain Halb vierdung, Zimmet Rinden anderthalb lott, Nagelein gleich so viel, Muscar Nuß Ain lott, Ingwer drey oder vier Lott, willt Du des Taigs aber mehr haben, so muest Du aber mehr Gewurtz darein thun, magst den Taig wol versuchen wird Es dich dunckhen, das nicht genueg gestupfft oder gewurtzt sey magst dus woll verbessern, vnnd laß den Taig nit zu Gach mit den Mehl vberschitten, laß auch den Taig nit zu vast knetten, vnnd mach lezellten darauß, vnnd machs nit zu dinn Darnach thue die In den Offen, Nachdem Prat das der Offen nur nit zu haiß sey, du must gueten vleiß haben, damit Sy dir nit verprinnen, vnnd wan Sy praun werden so nimbß herrauß.«

Transkript

(Wie man Lebzelten bäckt – So nimm Weizenmehl und heißen Honig und mache einen Teig, lass den Teig gut kneten [wahrscheinlich als Anweisung für das Küchenpersonal], dass man kaum einen Finger hineinstecken kann, und mach Fladen, die einen halben Finger dick sind und gib sie in einen Hafen. Danach backe sie und wenn die Fladen schön braun sind nimm sie aus dem Ofen und lass sie auskühlen, dann werden sie hart. Danach lass die Fladen mit einem Stößel auf einem sauberen Tischtuch fein zerstoßen. Danach erwärme wieder Honig, gieß ihn in die gemahlenen Brösel und nimm Anis, Pfeffer ein halbes Viertel, eineinhalb Lot Zimtrinde, genau so viel Nelken, ein Lot Muskatnuss, drei oder vier Lot Ingwer, willst Du aber mehr Teig haben, so musst Du mehr Gewürze zugeben, Du magst den Teig kosten und Du wirst bemerken, ob er nicht genug geknetet und gewürzt ist und kannst es verbessern, und lass den teig nicht zu sehr mit Mehl überschütten und nicht zu fest kneten, und mach Lebzelten daraus, nicht zu dünn, danach gib sie in den Ofen, der nicht zu heiß sein darf, Du musst gut aufpassen, dass sie dir nicht verbrennen, und wenn sie braun werden, nimm sie heraus.)

Doch was genau bezeichnet der Begriff „Lebzelten“ oder „Lebkuchen“?

Wie erhielt dieses Weihnachtsgebäck seinen Namen? Griffen die Schreiber des Kochbuchs der Philippine auf traditionelle Vorgaben zurück oder entwickelten sie etwas ganz Neues?

Tatsächlich gibt es erste schriftliche Informationen über lebkuchenartige Gebäcke schon in Ägypten aus dem Jahr 350 vor Christus. Auch die Römer strichen ihre Kuchen vor dem Backen mit Honig ein, um die Haltbarkeit ganzjährig zu steigern. Aus dem 12. Jahrhundert stammen Rezepte aus Dinant im heutigen Belgien, die dem aus Philippine Welsers Kochbuch sehr ähnlich sind. Über fränkische Klöster gelangten die Honigkuchen nach Aachen und von dort bis zum 16. Jahrhundert in den gesamten deutschsprachigen Raum. Der hohe Nährwert und die lange Haltbarkeit machten den oft in Klöstern gebackenen Lebkuchen insbesondere im Winter zum Gebäck für hungernde Menschen.

Der Name stammt vermutlich vom lateinischen „libum“ ab, was „Fladen“ oder „Opferkuchen“ bedeutet. Die ebenfalls schon im 16. Jahrhundert gebräuchliche Bezeichnung Pfefferkuchen geht darauf zurück, dass im Mittelalter für sämtliche Gewürze ganz allgemein den Begriff „Pfeffer“ verwendet wurde. Charakteristische Gewürze waren wie im Rezept Philippine Welsers Anis, Pfeffer, Zimt, Nelke, Muskatnuss, Ingwer.

Was am Rezept der Philippine überrascht ist, dass zuerst ein Vorteig aus Mehl und Honig noch ohne Gewürze gebacken wird. Diese sehr harten Fladen werden nach dem Erkalten zerstoßen und gemörsert, so dass wiederum eine Art Mehl entsteht, welches dann wieder mit Honig und den Gewürzen vermischt wird. Nach dem behutsamen Backen erhält man sehr süße und erfreulich weiche Lebkuchen.... Auf jeden Fall eine interessante Erweiterung des klassischen Weihnachtskekse-Repertoires!

Für unseren Lebkuchen haben wir verwendet (Zutaten):

Vorteig:

  • 500g Roggenmehl
  • 150g erwärmter Honig

Hauptteig:

  • Gemahlener Vorteig
  • 150g erwärmter Honig
  • etwas Wasser
  • je ein Esslöffel Anis, Pfeffer, Zimt, Nelke, Muskatnuss, Ingwer

Katharina Seidl

Dr. Katharina Seidl ist Kuratorin auf Schloss Ambras Innsbruck und leitet die Kunstvermittlung.