Teller; Miniatur, Narrenteller

1528 datiert
Umkreis: Jörg Breu d. Ä.

derzeit ausgestellt:
Unterschloss, Kunstkammer

Objektbezeichnung

Teller; Miniatur, Narrenteller

Kultur

Augsburg

Datierung

1528 datiert

Jörg Breu d. Ä. (um 1475 - 1537 Augsburg) - GND

Maße

Dm. 78,9 cm

Bildrecht

Kunsthistorisches Museum Wien, Kunstkammer

Inv. Nr.

Kunstkammer, 4955

Über das Objekt

Als an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert die mittelalterliche Weltordnung vielerlei Umwälzungen erfuhr, erlangte die Narrenthematik immer größere Bedeutung. Sebastian Brant, Thomas Murner, Erasmus von Rotterdam und andere waren die Schöpfer einer "Narrenliteratur", die als Deutung und Klärung dieser Zeitsituation zu verstehen ist. Das Narrenmotiv fand auch Eingang in die bildende Kunst, wobei dieser Narrenteller allerdings ein Unikat darstellt. Die "gar grosse hilzene schissl, darauf allerlai selczame sachen gemalt" (Nachlassinventar von 1596, fol. 475r) gehörte vermutlich zu den Gegenständen, die Hannibal Graf zu Hohenems 1577 Erzherzog Ferdinand II. vermachte. Das Zentrum des Reigentanzes auf dem Tellerboden bildet eine feiste Frau mit ausgebreiteten Armen. Auf dem Kopf trägt sie ein Diadem mit Eselsohren, um den Hals eine Kette mit einem Anhänger in Form eines goldenen Narrenkopfes. Ihre sieben Söhne umtanzen sie mit grotesken Verrenkungen oder verrichten unsinnige Tätigkeiten. Hinter ihr ist auf dem Bretterzaun zu lesen: "Ich bin ain muoter der narrenn worden / am hals trag ich den orden". Die Figur der Narrenmutter als Bild für Eva war seit dem Spätmittelalter verbreitet: Durch sie war die Erbsünde, der Ursprung aller Torheit, in die Welt gekommen. Im Bildhintergrund wird links der Zunftmeister der Narren sichtbar, der ebenfalls den goldenen Narrenanhänger trägt. Der Karren vor der Mühle enthält die Leiche eines Narren; ein weiterer Leichentransport nähert sich vom rechten Tellerrand her. Die Mühle galt als Symbol für die Vernichtung des Alten und dessen anschließende Wiedergeburt; die toten Narren werden also wohl vermahlen. Als Mahlgut hält der Müller drei Narrenschellen oder -samen auf dem Sieb. Damit trägt auch die Mühle zur Vermehrung der Narrheit bei. Die acht den Tellerrand umlaufenden Szenen nach literarischen Vorlagen von Thomas Murner beschäftigen sich mit dem Problem, ob und wie die Narrheit aus der Welt zu schaffen sei. Allerdings bieten weder Kopfoperationen oder Klistiere noch Fesseln, Waschen oder Abhobeln der Narren Abhilfe. Im letzten Bild wachsen dem Sämann doch nur wieder Eselsohren. Die Narrheit ist somit nicht auszurotten - je mehr man es versucht, desto mehr von ihr wird geboren.

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