Der aus Rumpf, rechtem Arm und Oberschenkeln bestehende Torso ist als Hochrelief gearbeitet. Auf der Brust werden die Reste verknoteter Löwenpranken sichtbar. Die Haltung des hinter den Rumpf gebeugten Armes sowie der Ansatz von Stand- und Spielbein legen nahe, dass als Vorbild der Herkules Farnese gedient haben könnte. Diese berühmte Replik des Herkules von Lysippos (4. Jahrhundert v. Chr.) wurde 1540 in den Caracalla-Thermen in Rom gefunden (heute im Nationalmuseum in Neapel). Auch Reste der beim Original deutlich erkennbaren Keule, über die das Löwenfell gebreitet ist, kehren beim Ambraser Herkules wieder. Einzig die Löwenpranken scheinen eine Erweiterung des klassischen Vorbildes zu sein. Möglicherweise sollten sie die Identität des Dargestellten verdeutlichen.
Vor allem technische Details wie die Gestaltung des linken Beins, dessen Oberfläche an der Rückseite unbearbeitet blieb, obwohl es nicht mit dem Reliefgrund verbunden ist, die Beschaffenheit der Bruchstellen und der im übrigen einwandfreie Erhaltungszustand lassen annehmen, dass der Herkules kein antikes Original ist, doch sollte er im 16. Jahrhundert wohl als solches gelten. Die Statue gehörte wahrscheinlich zu der auch im Nachlassinventar von 1596 genannten Antikensammlung Erzherzog Ferdinands und wird noch heute im so genannten Antiquarium von Schloss Ambras gezeigt, das schon zur Zeit Ferdinands II. zur Aufstellung antiker Plastiken im weitesten Sinn diente. Bei dem im Kornschütt- Gebäude gelegenen Raum handelt es sich wahrscheinlich um denjenigen, der dem Reisebericht des gelehrten Sammlers Philipp Hainhofer von 1628 zufolge mit "Löchern" versehen war, "in denen Brustbilder [standen]".
Andreas, Sohn Erzherzog Ferdinands II., war ab 1576 Kardinal der römischen Kurie. Er unterstützte seinen Vater 1578, »schönen, kostlichen bilder von marmolstain« für dessen landesfürstliche Sammlung zu erwerben. Ferdinand ging es um das Sammeln von Skulpturen antiker »Helden«, seien es Originale, Kopien oder Imitationen. Heute zeigt die Ambraser Antikensammlung eine Vielzahl an Abgüssen und Kopien nach antiken Originalstücken, darunter die zwölf ersten Imperatoren, elf Büsten antiker, nicht näher bestimmbarer Caesaren, vier weibliche Büsten, neun männliche Porträtköpfe, drei Reliefs und zwei Darstellungen aus dem Hercules-Zyklus. Dreimal ist Venus vertreten, zweimal Satyr und je einmal Apoll, die »Drei Grazien« und die Köpfe der Söhne Laokoons.